Schweizer Uhren in China – Watches & Wonders im Krisenland?

Richemont erkannte schon vor Jahren die grenzenlosen Weiten Chinas. Als wichtigster Exportmarkt der Schweizer Uhrenindustrie war Honkong bald auf Platz eins. Dass die Hafenstadt keine Zölle im globalen Uhrenhandel erhebt, ließ schnell erkennen, dass der perfekte Umschlagplatz gefunden war und nur noch eine Uhrenmesse zum großen Glück fehlte: Der Uhrensalon Watches & Wonders war geboren und wurde dieses Jahr zum dritten Mal veranstaltet.

2012 nach dem Vorbild des Genfer Uhrensalon geschaffen, öffnete die Watches & Wonders am 30. September die Pforten für ca. 16.000 geladene Messebesucher, welche fünf Tage lang die zwölf Messestände erkunden konnten. Wie beim großen Bruder in Genf werden in China vor allem Marken des Schweizer Richemont-Konzerns ausgestellt. Richemont hatte die große Hoffnung mit der Watches & Wonders von Hongkong aus, das chinesische Festland zu erobern.

Chinas Uhrenmarkt schwächelt

Fabienne Lupo, Mitveranstalterin der Hongkong Uhrenmesse und Präsidentin der Fondation de la Haute Horlogerie, fasst die Entwicklung des asiatischen Uhrenmarkts in ihrer Antrittsrede zusammen: „Im Jahr 2000 gehörte China nicht einmal zu den Top-Twenty des Schweizer Uhren-Außenhandels. 2008 stieß China die USA als bedeutendster Exportmarkt vom Thron. Bis vor kurzen war die Region Asia-Pacific und Japan mit 51 Prozent an der Spitze des Exportsegments und ließ Europa mit 33 Prozent weit hinter sich zurück. Aber: In den ersten sieben Monaten dieses Jahres gingen die Schweizer Uhrenexporte in der Region Hongkong um 20 Prozent zurück.“ Was bedeutet das für Richemont und die Swatch Group? (Weitere Exportstatistiken im Schweizer Uhrensektor finden Sie hier.)

Viele Gründe für sinkende Nachfrage

Allen voran zeigt die Pekinger Antikorruptionskampagne erste Auswirkungen auf die Nachfrage nach Zeitmessern über 35.000 Franken. Diese begehrten Uhren waren beliebte Geschenke im Businessbereich. „Daher ist es kaum verwunderlich, dass sich die Umsätze in diesem Preissegment nahezu halbiert haben“, lässt Stanley Lau, Direktor der Uhrenmanufaktur Renley verlauten. Das betrifft in erster Linie den lokalen Handel, der die Verluste kompensieren muss.

Doch damit nicht genug. Die ungünstige Währungssituation, mit dem starken Franken und dem teurem Hongkong-Dollar trugen ebenso zur Kaufkraftverlust im Luxussegment bei und schaden dem Handel in der Sonderverwaltungszone. Gleichzeitig begünstigen die erleichterten Visabestimmungen für andere Reiseziele den Tourismusschwund in Hongkong. Laut Stanley Lau, würden die Chinesen, die dennoch Hongkong besuchen würden, aber nicht die benötigte Kaufkraft mitbringen, wie diejenigen, die nun Europa, USA und Japan bereisen. Nicht zuletzt sind die Folgen der Konjunkturabkühlung und die prodemokratischen Protestbewegungen gegen die Pekinger Regierung das Zünglein an der Waage: Die momentanen Lagerbestände entsprechen einem Absatz von zehn bis zwölf Monaten – Tendenz steigend.

Erste Konsequenzen

Die Auswirkung der rückläufigen Verkäufe treffen zunächst kleinere Zulieferbetriebe. Sie bedeuten aber auch Personalabbau. Marken wie Corum, Christophe Claret und Girard-Perregaux haben bereits Stellen gekürzt. Auch IWC hat den Bau einer weiteren Produktionsstätte in Merishausen auf das nächste Jahr verschoben. Zeitgleich werden Investitionen hinausgezögert: Fortis hat seinem geplanten Markteintritt in China erstmals auf unbestimmte Zeit verschoben.

Reaktionen aus der Schweiz

Zahlreiche Manufakturen haben, um die aktuellsten Währungsverschiebungen zu umschiffen, Produkte im europäischen Raum verteuert und in China vergünstigt. Wenn die chinesische Kaufkraft langfristig fehlt, dürft das jedoch für viele Marken zum Problem werden. Allerdings gibt man sich in der Schweiz bislang wenig besorgt. Jaeger-LeCoultre-Vorstandsmitglied Daniel Riedo gibt an, dass dieses Jahr sogar ein geringes Umsatzplus verzeichnet werden könnte und selbst in China hätte sich die Lage im vergangenen Halbjahr entspannt. Das mag hauptsächlich der Tatsache geschuldet sein, dass Jaeger-LeCoultre sofort nach Beginn der ersten prodemokratischen Kundgebungen reagiert habe und auf einen großen Lageraufbau in Hongkong von Anfang an verzichtet hatte.

Auch IWC-Chef Georges Kern und Philippe Léopold-Metzger von Piaget vertrauen auf eine ausgleichende Preispolitik. Kern vermutet, dass zwar nicht alle Marken die Hongkong-Krise überleben werden, dass jedoch IWC in einigen Jahren wieder wettbewerbsfähig sein wird.

Watches & Wonders versus SIHH?

Die Gründung des Uhrensalons in Hongkong sollte die Schweizer Uhrenindustrie, allen voran den Richemont-Konzern, bei der Erkundung des asiatischen Markts unterstützen. Man wollte die hochpreisigen Zeitmesser im exklusiven Rahmen einem ausgewählten potenziellen Publikum vorstellen. Daher präsentierte man dem chinesischen Markt nicht nur, die bereits Anfang des Jahres im Zuge des Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) vorgestellten Modelle – sondern zeigte auch neue Kollektionen, die bereits ab Oktober ausgeliefert werden. Die Order-Routine des Fachhandels ist damit durchbrochen: Bisher konnte die Uhrenbranche im ersten Quartal alle Bestellungen für das gesamte Jahr platzieren. Nun mit einer weiteren Messe, Ende des Jahres, genau genommen nur 3 Monate vor dem Uhrensalon in Genf, könnte es für den Handel problematisch werden das Geschäftsjahr zu planen und den richten Zeitpunkt auszuloten, um neue Waren zu disponieren. Wie wird sich der Fachhandel in Zukunft in der zweiten Jahreshälfte organisieren, wenn die Watches & Wonders trotz China-Krise Bestand haben sollte?

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