Volkskrankheit Rabbatitis

Nicht nur immer mehr Grauware findet ihren Weg auf den Uhrenmarkt. Sei es im Internet oder auch bei stationären Händlern – Uhren zu Schleuderpreisen sind keine Seltenheit. Rabattitis ist zur Branchenkrankheit geworden. Hans Schullin redet im Interview mit DERJUWELIER.at Klartext und sagt, was er von den Lieferanten erwartet.

Unsere Branche hat keinen Spielraum für hohe Rabatte. Denn hohe Nachlässe sind mehr als betriebswirtschaftlicher Wahnsinn. Das beweist eine einfache Rechnung: Bei 20 % Rabatt bleiben dem Händler bei 1.000 Euro Listenpreis gerade einmal magere 107 Euro über. Das bedeutet: 61 % des Rohgewinns sind weg! Die Antwort von Hans Schullin darauf ist klar: Er fordert vom Lieferanten, dass dieser die aktuellen und stark rabattierten Modelle im Graumarktaufkauft, den ursprünglichen Juwelier verwarnt und ihm die Differenz zum VK in Rechnung stellt. Warum sollte der ehrliche Juwelier darunter leiden, dass unehrliche Kollegen die Preise verderben?

DERJUWELIER.at: Wie bekommt man die Schleuderpreise aus dem Internet in den Griff? Was erwarten Sie von Lieferanten?

Hans Schullin: Engagement. Ich würde mir wünschen, dass stark rabattierte Modelle der besten Schweizer Marken vom Erzeuger aufgekauft werden. Im nächsten Schritt sollten jene Konzessionäre die Ware rückkaufen müssen, die sie rabattiert abgegeben haben.

DJ: Und was soll mit den Händlern passieren?

Schullin: Ein Hinweis, dass er beim nächsten Mal die Vertretung verliert, würde meiner Meinung nach genügen.

DJ: Wer ist von den Schleuderpreisen betroffen?

Schullin: Es geht eigentlich um alle Spitzenmarken aus dem Luxussegment. Schon seit Jahren ist der Markt z.B. für wertvolle Jaeger-LeCoultre-Uhren verdorben. Da gab es in England bis zu 40 % Rabatt. Auch mit Audemars Piguet wurde schon vor der Krise geschleudert, von Griechenland aus. Ich halte es für das Wichtigste, den grauen Markt aufzukaufen und damit zu finanzieren, dass der schleudernde Händler gezwungen wird, zum Verkaufspreis rückzukaufen.

DJ: Dumping-Preise – woran liegt es?

Schullin: Ich glaube, dass es zwei Hauptgründe für die aktuelle Rabatt-Problematik gibt. Zum einen das Internet, in das jeder sofort schaut und in dem er die Angebote des grauen Markts sieht. Sich darauf berufend, quetscht der Kunde die Konzessionäre aus. Und wenn dann einer darauf einsteigt, löst er eine Lawine aus. Der zweite Grund, eigentlich die Ursache, liegt oft in Ländern, denen es sehr schlecht geht, aktuell z.B. Griechenland, wo Händler möglicherweise einfach Geld brauchen.

DJ: Fragen Ihre Kunden aufgrund von Internet-Billigangeboten nach günstigeren Preisen?

Schullin: Natürlich ist der Preis ein Thema. Wir sind global vernetzt, die Kunden sind mobil, und sie fragen sich klarerweise auch, warum ihr Stammhändler, bei dem sie schon einiges gekauft haben, nicht so entgegenkommend ist wie ein Wildfremder.

DJ: Wie viele Prozent Ihrer Kunden sind das?

Schullin: Ins Internet schauen inzwischen bestimmt 50–60 %, um sich zu informieren. Aber manche Kunden wissen gar nicht, wie der spezielle Anbieter heißt, sie schauen nur auf den Preis und das Modell.

DJ: Wie argumentieren Sie dann?

Schullin: Ich versuche, mit dem Kunden die Angebote zu analysieren. Wenn man genauer hinschaut, sieht man im Internet-Angebot normalerweise die 00- oder 01-Angaben, aus denen man schon sehen kann, dass die Uhr z.B. wenig getragen ist, nicht fabriksneu etc. Hilfreich zum Verständnis ist oft ein Vergleich mit einem Vorführwagen. Wenn allerdings ein Kollege einen Internet-Graumarkt-Preis bietet, wird es mit Erklärungen schwierig. Hier ist für mich das Hauptargument die Betreuung und Kulanz, die wir unseren Kunden zuteilwerden lassen.

DJ: Haben Sie schon Kunden an Plattformen wie chrono24 verloren?

Schullin: Ich glaube nicht, dass ich viele an Plattformen verloren habe, aber ich weiß, dass ich viele an Kollegen verloren habe, die diese Online-Angebote dann selbst geboten haben. Das könnte derzeit in etwa 20 Prozent meiner Kunden betreffen.

DJ: Bieten Sie Schulungen zum Thema Rabatt?

Schullin: Ja, wir sprechen natürlich regelmäßig über diese Problematik und die schwarzen Schafe. Besonders aber über die Befindlichkeit der Kunden und unsere Chancen.

DJ: Verstärkt sich durch die Franken-Aufwertung und die damit einhergehende Preiserhöhung bei Ihnen nun der Fokus auf Schmuck?

Schullin: Das sind für uns zwei getrennte Themen.

Natürlich verkaufen wir gerne die von uns erzeugten Produkte.

Allerdings: Ein zufriedener Uhrenkunde sieht sich auch gerne ein

Schmuckstück an. Insofern befruchtet eines das andere. Aber wir

versuchen nicht, jemandem die Uhr auszureden, um Schmuck zu verkaufen.

Es gibt ja auch viele Kunden, die mit Schmuck überhaupt nichts am Hut haben.

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