ETA: Verkaufsverbot bestätigt

Der Streit zwischen ETA und Wettbewerbskommission eskaliert. Offenbar ist es zu einem Verkaufsverbot an Drittfirmen gekommen. Swatch-Group Chef Hayek kündigt Schadensersatzforderungen an.


Die Swatch-Tochter ETA darf anderen Uhrenherstellern keine mechanischen Uhrwerke aus ihrer Produktion mehr liefern. Dies berichtet die Schweizerische Finanznachrichtenagentur AWP. Die Wettbewerbskommission (Weko) habe den Uhrenkonzern faktisch mit einem Verkaufsverbot belegt. Somit bestätigt das Sekretariat der Behörde den Lieferstopp-Vorschlag der Kommission, der vor wenigen Tagen publik wurde (hier).

Aus der Weko-Verfügung vom 16. Dezember 2019, die in den vergangenen Tagen bereits für Wirbel gesorgt hatte, geht hervor, dass die Lieferungen mechanischer Uhrwerke der ETA an ihre bisherigen Kunden ab dem 1. Januar 2020 ausgesetzt wird. Diese Verfügung der Behörde gilt bis maximal Ende 2020. Die Weko sei aber zuversichtlich, dass noch bis Sommer ein endgültiger Entscheid gefällt werden kann. Offiziell heißt es von Seiten der Weko, blieben mit diesem aktuellen Entscheid die Vorgaben der Regelung von 2013 formell bestehen, wonach die ETA die Lieferung von mechanischen Uhrwerken an ihre bisherigen Kunden stufenweise reduziert, doch werden die Lieferungen aus faktischen Gründen vorläufig ausgesetzt. Grund dafür sei, dass dem Wettbewerb „ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil“ drohe, würde man bis zum Endentscheid warten. Zudem sei es der ETA aus zeitlichen Gründen faktisch ohnehin nicht möglich, Drittkunden ab dem 1. Januar 2020 zu beliefern. Dies hatte Swatch Group-Chef Nick Hayek (siehe unten) bereits angedeutet.

Weko-Direktor Patrik Ducrey widerspricht dem von Swatch betitelten Wort „Verkaufsverbot“. An kleine und mittlere Unternehmen dürfe die ETA nach wie vor mechanische Uhrwerke liefern, sagte dieser im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. Vielmehr habe man in seinem Urteil die bestehende einvernehmliche Regelung mit Swatch um ein Jahr verlängert.

Hayek bestätigt diesen Fakt. Zwar gebe es bei der Entscheidung, der ETA alle Lieferungen an Dritte im Jahr 2020 komplett zu verbieten, Ausnahmen für kleinere mittelständische Unternehmen. Diese Ausnahmen seien aber nur theoretisch vorgesehen, faktisch unmöglich.

Mit der Entscheidung verdränge die Weko die ETA faktisch vom Markt, so Hayek in einer Unternehmensmitteilung. Denn ETA sei der einvernehmlichen Regelung zwischen der Weko und der Swatch Group im Jahr 2013 nachgekommen und nehme heute in diesem Bereich keine marktführende Position mehr ein. Die Produktionsmengen und –kapazitäten seien seit 2013 Jahr für Jahr gesenkt worden. Heute hätten andere Akteure die Liefermengen von ETA bei Weitem übertroffen. Beispielsweise habe Sellita 2019 eine Million mechanische Uhrwerke hergestellt und geliefert, das Doppelte der ETA. Sellita sei somit der neue marktbeherrschende Akteur in diesem Bereich. Die Kunden seien somit nicht mehr von ETA abhängig. Somit seien die Voraussetzungen für ein Lieferverbot nicht gegeben.

Apropos Sellita: In der Unternehmensmitteilung wird die Weko als unabhängige Organisation in Frage gestellt. Es sei sehr überraschend, so das Papier der Swatch Group, dass die Hauptargumente den von Sellita im Rahmen dieses Verfahrens vorgebrachten Wünschen entsprechen würden. Die von der Weko in ihrer offiziellen Mitteilung verwendeten Begriffe entsprächen praktisch Wort für Wort denen von Sellita. Es stelle sich damit die Frage, ob das Sekretariat der Weko beeinflussbar ist oder sogar unter Beeinflussung steht und ob es seine Entscheidungen noch völlig unabhängig treffen könne.

Swatch-Chef Nick Hayek nennt den Entscheid der Weko „unverständlich und inakzeptabel“. Die Weko mische sich in die Wirtschaftspolitik ein, womit sie ihre Befugnisse überschreite und verletze. „Die Weko hat geschlafen“, sagte Hayek der Nachrichtenagentur. Swatch habe die Weko seit Mitte 2018 nicht weniger als sechsmal auf die drängende Zeit hingewiesen. Eine vorsorgliche Maßnahme nur zwölf Tage vor dem Jahresende mitzuteilen sei aus industrieller Sicht “absurd”.

Faktisch laufe es darauf hinaus, dass Swatch bis 2021 keine Uhrwerke ausliefern könne, sagte Hayek. Weder an Drittkunden, noch an kleinere Mittelständler. Denn die Vorlaufzeit für einen Auftrag liege bei neun bis zwölf Monaten, und ETA habe 2019 angesichts der ungewissen Situation keine Bestellungen entgegen genommen. Hayek sagte in einem Statement vor einigen Tagen, dass diese von Drittkunden gewünschten Werke gar nicht produziert seien. Angesichts der negativen finanziellen Auswirkungen, die diese Entscheidungen mit sich bringen werden, behält sich Swatch vor, entstandene Schäden geltend zu machen. Man fordere zudem, dass die einvernehmliche Regelung von 2013 wie vorgesehen Ende 2019 auslaufe.

Direktor Patrick Ducrey nennt die Aussagen von Hayek im Gespräch mit der „Luzerner Zeitung“ widersprüchlich. 2013 habe die Swatch Group genau das beabsichtigt, was sie nun beklage: dass sie nicht länger die gesamte Industrie mit mechanischen Uhrwerken beliefern muss. Laut Ducrey habe die Gruppe diese Freiheit nutzen wollen, um nur noch einige wenige ausgewählte Kunden zu beliefern. Vielleicht noch vier oder fünf Kunden, während es früher 100 bis 150 Kunden waren, so Ducrey. „Die Swatch Group wollte nicht mehr liefern. Nun beklagt sie sich, dass sie 2020 ihre Lieferungen vorläufig aussetzen muss“, erklärt der Weko-Chef. „Dieser Widerspruch verwundert uns.“

Laut seiner Meinung hätte die Swatch Group Spielraum gehabt und Bestellungen für 2020 annehmen können für ihre bestehenden Kunden. „Dass diese Möglichkeit besteht, haben wir immer gesagt“, so Ducrey. Ohnehin seien kleine und mittlere Unternehmen nicht vom Weko-Entscheid betroffen. Die ETA könne diese Betriebe weiterhin mit mechanischen Uhrwerken beliefern. Einzig große neue Kunden dürfe die Swatch Group vorläufig nicht annehmen.

Die Strategie der Weko, zunächst vorläufig zu entscheiden bis dann der Endentscheid kommt, aller Voraussicht nach im Sommer 2020, trifft in der Schweizer Uhrenindustrie vorwiegend auf negative Reaktionen. Der Verband der Schweizer Uhrenindustrie (FH) ist beunruhigt über die „wenig klare“ Entscheidung der Wettbewerbskommission, sagte Präsident Jean-Daniel Pasche. Es entstehe Planungs-Unsicherheit, was die Lieferung von Uhrwerken außerhalb der Swatch-Gruppe betrifft. Die Weko kontert mit dem Argument, dass sich die ETA-Kunden seit sechs Jahren auf die Situation ab Januar 2020 hätten einstellen müssen. Kleinere Hersteller, die ohnehin schon mit der Swissness-Regel zu kämpfen haben, verstört die Meldung, dass eventuell gar keine Uhrwerke bei der ETA produziert worden sind.

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