Warum Michael Mauer für einen Juwelier-Verbund ist

Was viele Kollegen von Michael Mauer, bis vor kurzem Chef von Juwelier Mauer in Bochum und Bonn, nicht wissen – er war auch Chef einiger großer Möbelhäuser. In dieser Branche sind viele Händler in Verbünden organisiert. Warum bei uns nicht? „Blickpunkt Juwelier“ hat nachgefragt.


Blickpunkt Juwelier: Warum gibt es in der Möbelindustrie starke Händlerverbünde?
Michael Mauer: Weil das Verhältnis zwischen Möbelproduzenten und Einzelhändlern in der Vergangenheit sehr ungleich war. Vor 20, 25 Jahren gab es noch keine großen Möbelhäuser. Es gab nur große Möbelhersteller. Die kleinen Händler mussten sich zusammenschließen, um überlebensfähig zu sein. Ein zweiter Punkt ist die Logistik, die in dieser Branche eine entscheidende Rolle spielt. Denn nur mit einem zentralen Einkauf kann es auch eine zentrale Logistik geben. Dritter Punkt ist das zentrale Marketing. Wenn man Mitglied in einem Möbelverband ist, erhält man spezielles Fotomaterial für das Marketing. Alles, was das Möbelhaus früher selbst realisieren musste, Kataloge, PR, Werbung, dies gibt es mittlerweile als Systembausteine. Das wäre heute als Einzelkämpfer nicht mehr zu schaffen.

Blickpunkt Juwelier: Diese Herausforderungen werden den Möbelhändler wohl nicht vom Juwelier unterscheiden, oder?
Mauer: Richtig. Egal ob Möbelhändler oder Schmuckhändler, was soll er denn noch alles sein? Er ist Verkäufer, Einkäufer, Personalchef, Controller und Marketingleiter. Das kann nicht funktionieren. Verbünde sind auch ein Stück weit Arbeitsteilung und machen die gesamte Branche effizienter. Dies ist der Grund, warum Verbände notwendig sind.

Blickpunkt Juwelier: Kann der Lieferant davon ausgehen, dass die im Verbund organisierten Händler aktiver und besser sind?
Mauer: Ja. Sie sind besser aufgestellt. Außerdem hat der Lieferant auch Vorteile. Seine Produktlinien und Produktwelten kann er mit einem Verband viel attraktiver präsentieren.

Blickpunkt Juwelier: Warum gibt es in unserer Branche keine starken Einkaufsverbände?
Mauer: Es gab ja mal einen. Die Dugena. Sie war erfolgreich, weil das System des Einkaufsverbandes über eine starke Marke gut funktioniert hatte. Auch die Zentra oder Ankra waren vor allem bei kleineren Geschäften im ländlichen Bereich stark und hatten schon damals Themen wie Ersatzteilversorgung, Logistik oder Warenpräsentation adaptiert.

Blickpunkt Juwelier: Warum gibt es sie heute nicht mehr?
Mauer: Zum einen, weil es von der Industrie nicht gewollt ist und die Industrie jedwede Anstrengung unternimmt, dass es keine Zusammenschlüsse gibt, weil es zu einer Waffengleichheit führen würde. Heute besteht das System aus weltweiten Konzernen, die in unserem Fall mit Einzelkämpfern oder auch nur Local Heros wie Wempe oder Bucherer zu tun haben. Zum anderen ist der Juwelier oft nicht kooperationsfähig. Er ist sehr individuell. Er lässt sich nicht leiten und führen. Dies hat der Juwelier nie gelernt. Aber er wird sich daran gewöhnen müssen, wenn er überleben will. Er wird intelligentere Sys-teme benötigen, als er sie selbst initiieren kann. Systeme, die große Verbände liefern können, sind intelligenter, marktkonformer, abgestimmter und durchsetzungsfähiger. Der Juwelier dagegen entscheidet heute, ob er mit Grün oder Rot wirbt, ob es Trauringe sind oder doch lieber Uhren. Die Kenntnisse, wie heute Marketing und Vertrieb gemacht werden, sind so tiefgreifend, dass sie ein Einzelhändler gar nicht überblicken kann.

Blickpunkt Juwelier: Viele Konservative würden sagen, dass es in der Vergangenheit auch geklappt hat.
Mauer: Allein der Punkt der nun hybrid aufwachsenden Zielgruppe ist für einen einzelnen Händler kaum zu bewältigen. Keiner in unserer Branche ist mit dem Webshop bislang erfolgreich. Noch nicht mal in der Möbelindustrie ist dies so. Auch die Parfum-Leute sind mit dem eigenen Internet-Vertrieb noch nicht erfolgreich.
Blickpunkt Juwelier: Sprich: Solange der Juwelier keine Verantwortung abgeben kann, wird es auch keine Verbände geben?
Mauer: Ja, er möchte keine Verantwortung abgeben, weil er nicht versteht, was er abgibt. Er soll jemanden anders etwas machen lassen, das er selbst nicht versteht. Dazu gehört Mut, keine Frage. Der Juwelier ist ja hochgradig individuell, was ich ja auch verstehen kann, dies macht ja auch den Charme eines Juweliers aus. Aber je mehr Themen dazukommen – und der Internetmarkt ist als Mitbewerber hinzugekommen –, desto weniger wird er für seinen Kunden da sein.

Blickpunkt Juwelier: Ist der Juwelier wirklich so individuell? Das Produktangebot ist es schon mal nicht.
Mauer: Richtig. Der Juwelier wollte es sich mit den ganzen Trendfirmen scheinbar „einfach“ machen. Er versucht mit einem In-Produkt seine Absatzprobleme zu lösen. Aber er ist trotz Trendware nicht mehr in der Lage, eigene Produkte anzubieten oder sich Goldschmuck hinzulegen. Ich frage mich, ob es immer Marke sein muss. Und wenn ja, kann es eine Verbund-Marke sein?

Blickpunkt Juwelier: Kennen Sie einen guten Juwelier-Verbund?
Mauer: Ein Verbund, den ich persönlich sympathisch finde, ist die Diadoro-Gruppe aus Österreich. Aber: Die österreichischen Juweliere sind gruppenfähig. Der Österreicher setzt sich mit seinen Kollegen an den Tisch und dann entscheiden sie: So machen wir das. Die Deutschen setzen sich an den Tisch, diskutieren und kommen nicht zum Ergebnis.

Blickpunkt Juwelier: Ist der Leidensdruck im Handel heute groß genug, dass der Verbund nun kommen muss?
Mauer: Eigentlich hätte der Verbund vor drei, vier Jahren da sein müssen. Aber das Gute ist, dass es mittlerweile auch genügend gute Lieferanten gibt, die mitmachen würden. Denn für die Lieferanten wäre der Verbund ein Stück weit ein neuer und sicherer Markt. Der Verbund würde uns aus vielen
Situationen heraushelfen.

Blickpunkt Juwelier: Warum würde ein Verband dem Lieferanten nutzen, außer der oben angedeuteten generellen Effektivitätssteigerung des Juweliers?
Mauer: Die Vertriebskosten sinken. Dieser Punkt ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden. Der Lieferant könnte mit weniger Außendienstmitarbeitern klarkommen. Er kann mit automatischen Nachversorgungssystemen arbeiten. Er könnte intensiver mit Renner-Penner-Listen arbeiten. Denn wenn wir es nicht schaffen, die schlecht laufenden Produkte loszuwerden, und weiterhin durch die reduzierten Preise so aussehen wie Discount-Juweliere, dann entsteht ein Imageschaden. Selbst die Möbelindustrie wirbt kaum noch mit Rabatt, sondern mit kostenloser Lieferung, Service-Leistungen oder kostenloser Finanzierung. Was sie nicht mehr machen, sind Rabattschlachten mit durchgestrichenen Preisen. Die nimmt der Konsument ohnehin nicht mehr wahr.

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